Jahrmarkt der Eitelkeiten - Der wundersame Aufsichtsrat 11FREUNDE

Ein berlebensgroer Buddha empfngt den Besucher in Jrgen Hunkes Villa im noblen Stadtteil Pseldorf. Der Hausherr trgt rote Jeans und rote Turnschuhe. Die unverwechselbar gegelten Haare des Endsechzigers sind dnner geworden und lappen wie zerkochte Spaghetti auf den Hemdkragen. Hunke ist ein wohlhabender Mann, der von hier im exklusivsten Teil Hamburgs eine kleine Galeriekette betreibt,

Ein über­le­bens­großer Buddha emp­fängt den Besu­cher in Jürgen Hunkes Villa im noblen Stadt­teil Pösel­dorf. Der Haus­herr trägt rote Jeans und rote Turn­schuhe. Die unver­wech­selbar gegelten Haare des End­sech­zi­gers sind dünner geworden und lappen wie zer­kochte Spa­ghetti auf den Hemd­kragen. Hunke ist ein wohl­ha­bender Mann, der von hier im exklu­sivsten Teil Ham­burgs eine kleine Gale­rie­kette betreibt, die allerlei asia­tisch ange­hauchten Kram ver­kauft. Hunke schreibt zudem eso­te­ri­sche Rat­geber mit Titeln wie Leben ab 60“ und Wohl­fühlen – Der Mega­trend“. Er ist ein Mensch, der in seinem Leben genug Geld ange­häuft hat, um nun gemein­schaft­lich zu denken. Hunkes Lieb­lings­me­ta­pher: Wer Tomaten sät, hat noch nie eine Banane geerntet.“ Jeder kriegt am Ende das, was er ver­dient.

Über­tragen auf den Ham­burger SV, war das zuletzt nicht allzu viel. Der eins­tige Euro­pa­po­kal­sieger hinkt seit Jahren seinen Ansprü­chen hin­terher. Die ver­gan­gene Saison hat das Urge­stein“ auf dem 15.Tabel­len­platz abge­schlossen – so schlecht war der Klub seit Liga­grün­dung noch nie. Der Ver­lust in der Saison 2010/11 lag bei fast fünf Mil­lionen Euro, die nächste Bilanz wird noch deut­lich schlechter aus­fallen.

Jürgen Hunke bekleidet die Rolle des schlechten Gewis­sens im Auf­sichtsrat

Vor zwanzig Jahren war Self­made-Mann Hunke HSV-Prä­si­dent. Doch der Para­dies­vogel war der Presse suspekt, und seine Ideen als Klub­boss trafen auf wenig öffent­liche Gegen­liebe. Seit 1996 mischt Hunke mit geringen Unter­bre­chungen des­halb im Auf­sichtsrat mit, stets für unkon­ven­tio­nelle Sicht- und Hand­lungs­weisen zu haben. In jenem seltsam auf­ge­blähten Gre­mium also, das den HSV-Vor­stand seit nun­mehr 16 Jahren bestimmen, kon­trol­lieren und ihm bera­tend zur Seite stehen soll. Für den Vor­sitz fehlt dem streit­baren Hunke die Lobby. Er hat sich des­halb auf die Rolle des schlechten Gewis­sens zurück­ge­zogen. Fragen braucht man ihm eigent­lich nicht zu stellen, Ant­worten zum HSV gibt er auch ohne sie.

Einen Mahner hat der Aus­schuss offenbar auch bitter nötig. Es gibt kaum ein Gre­mium im deut­schen Fuß­ball, das so oft durch sein unge­schicktes Vor­gehen Schlag­zeilen macht, obwohl es doch eigent­lich eher im Stillen Wir­kung ent­falten soll. Jeder Kon­flikt wird öffent­lich, geheime Per­so­nal­fragen finden auf wun­der­same Weise den Weg in die Medien. Ein Grund dafür ist, dass der Auf­sichtsrat eine von poli­ti­schen Strö­mungen durch­zo­gene Kom­mis­sion ist. Anders als in Fuß­ball­teams, wo Grup­pen­bil­dung oft zur Ent­las­sung des Übungs­lei­ters führt, sind sek­tie­re­ri­sche Ten­denzen im Zwöl­ferrat des HSV an der Tages­ord­nung.

Wie sehr interne Gra­ben­kämpfe toben, wurde auf der außer­or­dent­li­chen Mit­glie­der­ver­samm­lung im Mai 2012 deut­lich, als die Räte Ernst-Otto Rieck­hoff und Horst Becker für ihren Antrag auf Ver­klei­ne­rung in aller Öffent­lich­keit von ihren Rats­kol­legen har­sche Kritik ein­ste­cken mussten. Das Ergebnis war, dass Rieck­hoff im Stile einer belei­digten Leber­wurst vom Auf­sichts­rat­vor­sitz zurück­trat. Seinen Posten ganz auf­zu­geben, das brachte er nicht übers Herz. Statt dessen rief er seinen Wider­sa­chern schlecht­ge­launt nach, es sei viel­leicht besser, den gesamten Aus­schuss auf­zu­lösen.

Vieles macht den Ein­druck, als ginge es nicht darum, eine ein­heit­liche Linie im Inter­esse des HSV zu finden, son­dern die Inter­essen der jewei­ligen Lobby zu befrie­digen. Das Wahl­volk setzt sich in dem mit­glie­der­be­stimmten Verein – dem letzten seiner Art in der Bun­des­liga – aus einer Viel­zahl von Inter­es­sen­gruppen zusammen: von den fun­da­men­ta­lis­ti­schen Mit­glie­dern über die gemä­ßigten Realos“ bis hin zu alt­ein­ge­ses­senen Ver­eins­meiern und dem Senio­renrat.

Der Wahl­kampf wird auch über die Medien aus­ge­tragen. Acht Auf­sichts­räte werden durch die Mit­glie­der­ver­samm­lung bestimmt. Dazu kommen je ein Dele­gierter der För­dernden Mit­glieder, der Ama­teur­ab­tei­lungen, der Gemein­schaft der Senioren und des Ham­burger Sport-Ver­eins Och­sen­zoll-Nor­der­stedt e.V. Mei­nungs­viel­falt ist also vor­pro­gram­miert. Und jedes Mit­glied glaubt – so wie Jürgen Hunke – am aller­besten zu wissen, was gut für den Verein ist.

Welche abstrusen Folgen das haben kann, bewies zuletzt die Suche nach einem Sport­di­rektor. Die Bestel­lung des Vor­standes, dem der Sport­chef ange­hört, obliegt laut Sat­zung dem Auf­sichtsrat. Seit Juni 2009 war der Verein unter Zug­zwang, einen Nach­folger für Didi Bei­ers­dorfer zu prä­sen­tieren. Zu lange schon hatte der fuß­ball­ferne Prä­si­dent Bernd Hoff­mann ohne klare Stra­tegie an einer sport­li­chen Vision gewer­kelt. Bis zu sieben Kan­di­daten sollen in der engeren Aus­wahl für diesen Posten gewesen sein: Anwärter wie Nürn­bergs Martin Bader und Spie­ler­be­rater Roman Grill schei­terten angeb­lich am Veto des Auf­sichts­rats, DFB-Chef­scout Urs Sie­gen­thaler musste sich dem Ein­spruch des DFB beugen, Bas­tian Rein­hardt war eher eine interne Not­lö­sung.

Theater von ohn­sorg­schen Aus­maßen um Mat­thias Sammer

Umso mehr sehnte die Han­se­stadt die Ankunft des neuen Top­kan­di­daten Mat­thias Sammer herbei. Und so trafen sich eines Mor­gens im Januar 2011 acht Auf­sichts­räte mit ihren But­ter­brot­dosen im Gepäck, um in einem Kleinbus zum Han­no­ve­raner Flug­hafen zu fahren und den desi­gnierten Manager zu begut­achten, der dort mit seinem Anwalt, dem frü­heren BVB-Prä­si­denten Gerd Nie­baum, auf die HSV-Abord­nung war­tete. Wie ein sel­tenes Tier nahmen selbst­er­nannte Fuß­ball­ex­perten wie der stein­reiche Unter­nehmer Alex­ander Otto, Schau­spieler Marek Erhardt, Jürgen Hunke oder Jour­na­list Man­fred Ertel den Euro­pa­meister von 1996 in Augen­schein. Über den genauen Ablauf des Gesprächs gibt es unter­schied­liche Ver­sionen. Jeden­falls kehrten die Räte in der Über­zeu­gung an die Elbe zurück, Sammer hätte zuge­sagt. Obwohl keine Unter­schrift erfolgt war, wurde die Neu­be­set­zung der Schlüs­sel­po­si­tion noch am Abend ver­kündet. Das Gre­mium war so beglückt über das Happy End in dieser Epi­sode, dass es das Wasser nicht länger halten konnte. Das Ende vom Lied: Sammer sagte ab. Es schossen Gerüchte ins Kraut, dass Uli Hoeneß auf­ge­schreckt durch die Bekannt­gabe bei Sammer durch­ge­klin­gelt habe, um ihn in letzter Sekunde von seiner Ent­schei­dung abzu­bringen. Dem HSV-Rat fällt es offenbar leichter, eine Nie­der­lage gegen den FC Bayern ein­zu­ge­stehen, als selbst die Ver­ant­wor­tung für dieses Theater von ohn­sorg­schen Aus­maßen zu über­nehmen. Die Beru­fung von Frank Arnesen im Mai 2011, den einige im Auf­sichtsrat hinter vor­ge­hal­tener Hand inzwi­schen längst wieder als Fehl­be­set­zung klas­si­fi­zieren, war nach dieser Posse wohl eher der Ver­such, Hand­lungs­fä­hig­keit zu demons­trieren, als ein echtes Zei­chen von Füh­rungs­kom­pe­tenz.

Als der Rat 1996 ins Leben gerufen wurde, ging es darum, den ver­schul­deten HSV zurück auf Kurs zu bringen. Damals hatte der DFB den Pro­fi­klubs die Grün­dung von Auf­sichts­räten emp­fohlen, um Kapriolen wie auf Schalke oder in Frank­furt zu ver­hin­dern, wo auf alko­hol­schwan­geren Ver­samm­lungen schon mal die kom­plette Ver­eins­po­litik über den Haufen geworfen wurde. Der Auf­sichtsrat sollte dem HSV, der nie die Aus­la­ge­rung seiner Lizenz­ab­tei­lung voll­zogen hat, in pro­spe­rie­renden Zeiten ein Stück weit Serio­sität ver­leihen. Das Gre­mium sollte ein Bei­trag zur Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Fuß­balls sein, und am Anfang schmückten viele illustre Per­sön­lich­keiten den HSV-Zwöl­ferrat. Tages­schau-Spre­cherin Dagmar Berg­hoff zählte neben HSV-Legende Jürgen Werner und dem Bör­sen­prä­si­denten Udo Bandow zu den Grün­dungs­mit­glie­dern.

Viele, die dabei waren, loben die kon­struk­tive Streit­kultur der ersten Jahre. Die Mit­glieder kloppten sich verbal auch wie die Kes­sel­fli­cker, aber es wurde stets han­sea­tisch maß­ge­halten: Und wenn es gut war, been­dete meist der Vor­sit­zende Bandow die Dis­kus­sion, indem er sein Hör­gerät abstellte und zur Abstim­mung bat. Auch Dagmar Berg­hoff, die als Fern­seh­frau kri­tisch beäugt wurde, machte eine gute Figur. Sie war zwar über­mä­ßiger Fuß­ball­kom­pe­tenz unver­dächtig und rauchte wäh­rend der Sit­zungen wie ein Schlot, war aber exzel­lent vor­be­reitet und ein ruhender Pol. In Anwe­sen­heit der kühlen TV-Dame nahmen die Alpha­tiere in Dis­kus­sionen immer wieder den Fuß vom Gas.

Berg­hoff genoss den stra­te­gi­schen Vor­teil, dass sie bereits als öffent­liche Person ins Gre­mium gewählt wurde. Ihre Popu­la­rität als ARD-Anchor­frau konnte selbst der HSV nicht stei­gern. Ihre männ­li­chen Kol­legen hin­gegen mussten sich erst in die neue Rolle ein­finden. Der lang­jäh­rige Rats­vor­sit­zende Udo Bandow stellte ver­wun­dert fest, dass sein Bekannt­heits­grad in Ham­burg durch das Ehrenamt beim Erst­li­gisten aus dem ein­stel­ligen Bereich plötz­lich weit über die 50-Pro­zent-Marke schnellte. Als das erste Mal sein Name in der Bild“-Zeitung in nega­tivem Zusam­men­hang mit dem Klub auf­tauchte, stam­melte seine Frau fas­sungslos: Das kannst du nicht zulassen!“ Als Bandow sich beim Sport­chef der Bou­le­vard­zei­tung dar­aufhin beschwerte, sagte der cool: Hör auf mit deiner Lar­moyanz. Du wuss­test doch, worauf du dich ein­lässt.“

Eben noch Rand­figur der High Society, jetzt schon bekannter Fuß­ball­ex­perte

Doch in der Über­hö­hung des Fuß­balls durch die öffent­liche Mei­nung liegt in erfolg­rei­chen Zeiten natür­lich auch eine Ver­su­chung. Früher oder später unter­lagen fast alle Aus­schuss­mit­glieder dem Trug­schluss, dass mit ihrer Wahl zum HSV-Auf­sichtsrat auch der Rit­ter­schlag zum Fuß­ball­ex­perten erfolgt sei. Eben noch unschein­bare Rand­fi­guren der Ham­burger Haute­volee, pala­verten sie nun in Sit­zungen auf Augen­höhe mit Vor­ständen wie Uwe Seeler, später Holger Hie­ro­nymus, Didi Bei­ers­dorfer bis hin zu Frank Arnesen über Spie­ler­per­so­na­lien und Taktik. Die Ver­pflich­tung von Daniel van Buyten etwa wurde zur Grund­satz­dis­kus­sion – obwohl solche Ent­schei­dungen des Sport­vor­stands an und für sich nur abzu­ni­cken waren. Der ehe­ma­lige Profi Sergej Bar­barez, der zwi­schen­zeit­lich mit im Rat saß, stellte seinen Posten bald wieder zur Ver­fü­gung. Mit seinem Know-how fühlte er sich in den hit­zigen Sit­zungen bei so viel Tre­sen­talk doch ziem­lich fehl am Platze.

Viele derer, die eigent­lich Repu­ta­tion in den Klub tragen sollten, nutzten ihren Posten längst dafür, um Repu­ta­tion her­aus­zu­ziehen. Jürgen Hunke als Mahner des Gre­miums hat schon man­chen hono­rigen Kol­legen ange­fahren, wenn er mit­bekam, wie dieser erst zu Beginn der Sit­zung den Umschlag mit den Tages­ord­nungs­punkten auf­riss, obwohl der schon Wochen vorher per Post zuge­stellt worden war.

Die meisten Auf­sichts­räte reden den glei­chen Quark wie die Fans in der Kneipe“, sagt ein lang­jäh­riger Vor­stand. Und einige umkreisen mit­unter wie Motten das mediale Licht. Dieter Matz, Reporter beim Ham­burger Abend­blatt“, bestä­tigt, dass er ab und an Infor­ma­tionen von Räten gesteckt kriegt – auch ohne vorher nach­zu­fragen. Die Bou­le­vard­me­dien bedanken sich für derlei Hin­weise dann, indem sie in Split­ter­mel­dungen dem einen oder anderen Stich­wort­geber zum Geburtstag gra­tu­lieren oder ihn vor Neu­wahlen ins rechte Licht rücken.

Der lang­jäh­rige Rats­boss Udo Bandow sitzt in seinem kleinen Büro unweit des Rat­haus­marktes und nippt an einer Cola. Bandow ist heute über achtzig, was seiner han­sea­ti­schen Aura eher zuträg­lich ist. Aber auch er ist nicht davor gefeit, Spieler als Ver­sager“ zu klas­si­fi­zieren. Schon Ende der Neun­ziger ließ er in seiner Funk­tion sämt­liche Auf­sichts­räte eides­statt­liche Ver­si­che­rungen abgeben, dass nicht sie für Indis­kre­tionen ver­ant­wort­lich waren, die aus dem Rat nach außen gedrungen sein mussten. Alle unter­schrieben – doch die Infor­ma­tion war in der Welt. Als Bandow mit Oliver Bier­hoff als Nach­folger für den geschassten Sport­di­rektor Holger Hie­ro­nymus ver­han­delte, war das Gespräch kaum beendet, als bereits die erste Mel­dung dazu erschien.

Wirt­schafts­ka­pi­täne und Hono­ra­tioren in den besten Jahren unter­ziehen sich eben keinem Medi­en­coa­ching, wenn sie Auf­sichts­rats­posten über­nehmen. Oft spielt auch die Uner­fah­ren­heit eine Rolle, die ver­meint­liche Indis­kre­tionen begüns­tigt. Ein Infor­ma­ti­ons­krümel kann in so einem Aus­schuss schnell Fahrt auf­nehmen. Ein­fach, indem sich jeder zur Rich­tig­stel­lung bemü­ßigt fühlt und es immer zwölf poten­ti­elle Mit­wisser gibt. Der Jour­na­list fragt: Ihr wollt grüne Äpfel kaufen?“ Der Befragte ant­wortet: Wer sagt das? Die Äpfel sollen doch rot sein.“ Und mit jedem wei­teren Gespräch wird das Gerücht mehr zur Nach­richt.

Alle Auf­sichts­räte eint eine gehö­rige Por­tion Eitel­keit“, sagt ein lang­jäh­riges Mit­glied. Der Platz im VIP-Bereich, das Fach­sim­peln und Mit­re­den­dürfen – neben den zähen Sach­fragen, mit denen sich der Aus­schuss in seinen Sit­zungen beschäf­tigen muss, ist gerade der Stamm­tisch­talk über Fuß­ball ein wich­tiger Grund, hier dabei zu sein. Es ist sogar schon vor­ge­kommen, dass der Auf­sichtsrat vom Sport­vor­stand das Erscheinen des Stamm­tor­warts ver­langte, weil dessen Abschläge einigen Räten viel zu oft ins Sei­tenaus gingen.

Jürgen Klopps schluf­fige Drei-Tage-Bart-Optik passte nicht ins Anfor­de­rungs­profil

Nicht nur an der fehl­ge­schla­genen Ver­pflich­tung von Mat­thias Sammer trägt das ver­meint­liche Kon­troll­organ eine Mit­schuld, auch den Transfer von Jürgen Klopp aus Mainz zum HSV 2008 half der Rat zu unter­binden. Udo Bandow macht keinen Hehl daraus, dass aus seiner Per­spek­tive ein HSV-Trainer ein dem Renommee des Klubs ange­mes­senes Auf­treten haben müsse. Was immer das bedeutet. Klopps schluf­fige Drei-Tage-Bart-Optik passte jeden­falls nicht ins Anfor­de­rungs­profil, so dass der Aus­schuss den dama­ligen Sport­di­rektor Dietmar Bei­ers­dorfer unter­stützte, der Fred Rutten als neuen Trainer favo­ri­sierte. Der HSV ließ Klopp noch­mals beim Trai­ning von einem Scout beob­achten, der letzt­lich bestä­tigte, dass Jürgen Klopp tat­säch­lich so aus­sieht, wie er nun mal aus­sieht. Als der Trainer davon Wind bekam, sagte er von sich aus ab.

Die Mei­nungen über den Sinn des Auf­sichts­rats driften auch wegen sol­cher Aktionen zuneh­mend aus­ein­ander. Wäh­rend viele Realos“ im Klub eine Ver­klei­ne­rung befür­worten, um die Indis­kre­tionen ein­zu­dämmen, gibt es Stimmen im Füh­rungs­zirkel, die ganz für die Abschaf­fung des geschwät­zigen Aus­schusses plä­dieren. Jürgen Hunke steht mit seiner Mei­nung ganz woan­ders: Er kann sich vor­stellen, den Rat auf 15 Per­sonen aus­zu­bauen und dann alle Ent­schei­dungen in ein­fa­cher Mehr­heit durch­zu­bringen. Die ursprüng­liche Idee, ein Who is Who“ der han­sea­ti­schen High Society zu ver­sam­meln, hält er für geschei­tert. Hunke sagt: Wir brau­chen keine großen Namen, was wir brau­chen, ist Ver­trauen!“

Im Januar 2013 wird auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung der Auf­sichtsrat neu bestimmt. Der Aus­gang der Wahl ist völlig offen. Nur eins ist sicher: Zum Wohle des Ver­eins muss das Gre­mium drin­gend zurück­finden zu seiner Kern­kom­pe­tenz als Kon­troll- und Bera­tungs­aus­schuss. Zu sehr haftet ihm längst das Image des plau­de­rigen Fuß­ball­stamm­tischs an.

Jürgen Hunke sitzt an einem Schreib­tisch, der so groß wie ein WG-Zimmer ist, das Ambi­ente seines Büros wird von Chrom- und Holz­tönen bestimmt. Umgeben von Bud­dha­fi­guren krit­zelt er Hier­ar­chie-Pyra­miden auf ein Blatt Papier. Seine Vision, wie der HSV geführt werden müsse. Es gehe um Effi­zienz, sagt er. Gebets­müh­len­haft wie­der­holt er, dass er den puren Fuß­ball liebe. Und auch wenn Hunke oft anderer Mei­nung als seine Kol­legen ist: Dass der Klub für ihn eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit dar­stellt, hat er mit allen HSV-Auf­sichts­räten gemein.

Immer wieder erwähnt er, dass der HSV ein Klub sei mit einer so gewal­tigen Tra­di­tion. Und dann sagt er den Satz, der wäh­rend der Recherche zu dieser Geschichte in jedem Gespräch mit Betei­ligten oft mehr­fach fällt. Eine gestelzte For­mu­lie­rung, die von allen Befragten selt­sa­mer­weise in iden­ti­scher Form gebraucht wird. Ein Satz, der darauf vor­be­reitet, dass nun eine beson­dere Infor­ma­tion kommt, damit wir, die Jour­na­listen, die ganze, ver­trackte Situa­tion im Auf­sichtsrat besser ver­stehen: Das ist jetzt nicht zum Schreiben…“

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