
Die Chefredaktion hetzt uns während eines Fußballjahres ja gerne an die entlegensten Orte dieser Erde. Dort erleben wir dann – natürlich – ständig irgendwelche Sachen, die man in ihrer bizarren Exotik nicht für möglich gehalten hätte. In diesem Jahr hervorzuheben: monetäre Missverständnisse mit einem zwielichtige Narbenmann (auf dem Schwarzmarkt in Florenz), japanische Touristen beim Schneemannbau (vor dem RWO-Mannschaftshotel am Titisee) und eine absurde Pressekonferenz mit Lothar Matthäus (in einem Fernsehfachgeschäft in Accra/Ghana).
Während der EM schien zunächst alles normal zu laufen: Ich verbrachte meine Zeit irgendwo zwischen dem Trainingsquartier der Italiener und dem Büro des österreichischen Magazins »Datum«. Dort lernte ich eines Nachmittags die lokalen Kabarettisten Stermann & Grissemann kennen, via YouTube. Nach der mehrmaligen Betrachtung eines Filmchens rief plötzlich das ganze Büro, zuvor eher etwas österreichisch-unterkühlt, fortan immer wieder: »Gelati, Gelati!«
Es hätte also ein schöner Sommer werden können, doch dann folgte eine Pressemitteilung, die alles, was ich bisher über Fußball zu wissen glaubte, auf den Kopf stellte. Eine Eventagentur aus den Niederlanden lud zum »Sexy Soccer« ans Donauufer. Einen Tag vor dem Klassiker Österreich gegen Deutschland sollte das Spiel bereits »nachgestellt« werden: von Porno-Starlets in aufgemalten Fußballtrikots, musikalisch begleitet von Jürgen Drews. Während sich immer mehr Bierflaschen-bewaffnete Schnauzbärte im Ballack-Trikot einfanden, schallte die kreischige Stimme von Moderatorin Renee Pornero über das Gelände. Da der Vienna City Beach Club über WLAN verfügte, ließ sich schnell herausfinden, was die Dame zu ihrem heutigen Job qualifiziert hatte. Die Internet-Filmdatenbank IMDB verzeichnete nicht weniger als 187 Einträge, etwa »Vegetarierinnen zur Fleischeslust gezwungen« (2000), »Sluts in the sun« (2004) oder »Vivian Schmitt – Eingelocht« (2006).
Professionell wie Pornero verhielt sich auch Jürgen Drews, der den Tisch, den er später beim Liedvortrag scheinbar spontan bestieg, vorab ausgiebig auf seine Stabilität testete.
Später wurde die alte Squaw des deutschen Schlagers von den Medien belagert wie wohl sonst nur Jogi Löw. Und das, obwohl er keinesfalls in »Train My White Ass« mitgespielt hat. Wo, verdammt, waren Stermann & Grissemann, als man sie brauchte?
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWejocK1v4yipWasmJp6tMHNaGpwamVqhg%3D%3D